Matschwinter im Waldkindergarten

Matschwinter im Waldkindergarten

Ganz kurz war er dieses Jahr schon einmal hier, zumindest lies sein Kommen sich erahnen. Es reicht, die Nase in den Wind zu heben, dann kann man Ihn riechen; Den Frühling! Bald schaffen uns die wärmeren Temperaturen Erleichterung, dennoch ist es quasi Winter, manch einer nennt ihn auch den Narrenfrühling.
Im Winter gilt für Waldkindergarten-Eltern vor allem Eines: Durchhalten!

Ich bin Mutter zweier Waldkinder und befinde mich mitten in meinem dritten Wald-Winter. Ich würde behaupten, dass ich den Winter in all seinen Facetten schon lange nicht mehr so wahrgenommen habe, wie ich es tue seitdem meine Kinder den Waldkindergarten besuchen. Das ist absolut gewollt und ich kann es mir auch nicht mehr anders vorstellen. Andererseits überkommt mich jedes Jahr auch so etwas wie ein Wald-Winter-Frust.

Als moderner Mensch stehen einem mit aller Selbstverständlichkeit so allerlei Dinge zur Verfügung, die einen vergessen lassen, was Witterung und draussen seinwirklich bedeutet. Autos, Funktionskleidung, Zentralheizung. Das ist Komfort, den wir als so unmittelbar erleben, dass man vergisst, was der Winter und sein Wetter der Natur und den sich darin befindlichen Organismen und Lebewesen abverlangt. Wir Mütter und Väter (Omas, Opas und alle anderen Erziehungs- und Abholberechtigten eingenommen) sind hier die selbsternannten Hauptleidensträger. Manch einer von uns mag zwar auf dem Land groß geworden sein, aber die Meisten von uns leben das Landleben nicht als Gummistiefel-tragender Bauer oder Bäuerin, sondern als pendelnder Möchtegern-Kossäte. 

So heißt es also jeden Tag aufs Neue, diese zwei Welten unter einen Hut zu bekommen. Die moderne, losgelöste von der Natur, die sich drinnen abspielt und dann die wilde, urgewaltige, dreckige und nasse, draussen im Wald! Wir stiefeln zweimal täglich durch den Matsch, überlassen unsere Autos dem Dreck, leben im Wechsel zwischen Wald– und nicht-Wald Kleidung, stehen im Morgengrauen auf um die unzähligen Schichten Kleidung zurechtzulegen, Tee zu kochen, ein überdurchschnittlich großes und nahrhaftes Vesper zu packen und das Expeditions-Equipment vorzubereiten.
Wir ziehen unsere Kinder mindestens vier mal täglich an und aus und quälen sie in unzählige Schichten. Wer Mädchen hat, die in zartem Alter schon so etwas wie Modebewusstsein an den Tag legen, weiß über die zusätzliche Portion Stress Bescheid, die Funktionskleidung mit sich bringt. Ich habe zwei sehr modebewusste Mädchen und muss deshalb beim Kauf der diversen Kleidungsartikel auch immer sehr auf Farbgebung und Haptik achten.
Blau, Grau und Schwarz ist grundsätzlich doof, Knie- und Poverstärkung aus Cordura sowieso. Von den klobigen Outdoor Schuhen mal ganz abgesehen… beinahe täglich kommen Fragen wie „weshalb darf man eigentlich kein Tutu und/oder Strumpfhosen im Wald anziehen?” Oder “darf ich mich auf dem Parkplatz gleich schon umziehen?” Die allmorgendliche Diskussion und das Argumentieren um die Kleidung hat übrigens keinen Zweck, wir greifen das Thema mit 100%iger Sicherheit am nächsten Tag sowieso wieder auf.. Meine beiden können sich nach dem Abholen nicht schnell genug aus der dreckigen Kleidung schälen um sich dann so richtig – Kontrastprogrammmäßig – in Schale zu schmeissen. Röckchen, Kniestrümpfe, Glitzertop, inklusive Spiel-Stilettos von der Schwägerin aus New York.

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Am Vormittag ist aber richtige gute Waldkleidung angesagt. Was als richtig gut befunden wird entscheiden immer Eltern UND Kind gemeinsam (im Idealfall). So ist es zumindest bei uns. Die grosse Tochter mag z. B. nichts kratzendes oder Kleidung die zu sehr nach öko aussieht. Was als öko empfunden wird, ist dabei ziemlich subjektiv, die schönen, dicken Wollpullover gehören momentan jedoch eindeutig in diese Kategorie. Vegane, gefütterte Barfussschuhe anscheinend leider auch, obwohl ich diese sooo schön fand (und mich ein kleines Vermögen gekostet haben). Die kleine Tochter hingegen lässt sich da noch eher von mir lenken. Hier darf ich mich noch etwas nachhaltiger und Naturfaser-betont austoben. Wollwalk, Wollfleece und Wolle/Seide sind hier an der Tagesordnung.
Eine gute Funktionsjacke ist ebenso unabdinglich wie die vielen wärmenden Zwischenschichten. Und da bei uns im Wald “Mützenpflicht” herrscht, tragen fast alle Kinder ausnahmslos eine gute Schlupfmütze (auch Schalmütze genannt). Meine Große trägt seit diesem Jahr übrigens nur noch dünne Baumwollmützen, aber gegen den Strom schwimmen ist ja nichts verkehrtes und ich vertraue meinen Kindern, dass sie ihren Körper und Hitze-Kälte Empfindungen mittlerweile ziemlich gut selbst einschätzen können. Das lernen Waldkinder obendrein ganz schell: auf ihren eigenen Körper zu hören und diesbezüglich selbst Entscheidungen zu treffen. Faszinierende Sache!

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Waldkindergarten Ausrüstung ist nicht immer billig, man braucht vieles nämlich doppelt. Eine Winterjacke für den Wald und eine für zu Hause, denn die aus dem Wald kommt mit großer Sicherheit an vier von fünf Tagen schlammverkrustet zurück. So schnell kann man gar nicht waschen.
Wir stellen die Matsch- und Schneehosen und Winterjacken also sprichwörtlich “in die Ecke”, lassen sie nachts antrocknen und zwingen die Kids am nächsten Tag (begleitet von lautem Gezetere) wieder in die Matschkleidung hinein. Man wäre sonst von früh bis spät geknechtet von der Wäscherei, und das lohnt sich nicht!

Vom Wald-Winter-Frust und Klamotten-Wasch-Wahnsinn mal abgesehen, ist der Wald im Winter schon etwas ganz Besonderes. Für Eltern eher so.. naja.. herausfordernd, aber für Kinder ist er ein herrlicher Spielplatz. Der beste schlechthin, wenn man es genau nimmt.

Im mäßig kalten südbadischen Raum besteht so ein winterwetter Wald nämlich nicht nur aus kahlen Sträuchern und Bäumen, sondern vor allem aus ganz viel Matsch. Und manchmal – mit etwas Glück – auch aus Eis oder sogar Schnee.
Aber feinbrauner, erdiger, nasser Matsch ist die dominierende Materie und für Kinder auch diejenige, die auf basaler Ebene am meisten hergibt.
Im Matsch kann man sich wälzen, man kann Wildschwein spielen oder so tun als wäre man ein Matschmonster. Am allerschönsten ist aber der Freibrief fürs ungestörte “Dreck machen”. Keiner schimpft, keiner sagt “pass auf deine neue Hose auf”. Denn das dreckig nach Hause kommen ist ja irgendwie auch ein Prädikat. Prädikat Waldkind. Urkind sozusagen.
Ich kenne wenig andere Kinder, die so viel über die Natur und Umwelt wissen, wie unsere nach drei Jahren im Wald. Meine Tochter weiß, welche Vögel davonziehen und welche hierbleiben, sie kennt die Bäume beim Namen, nicht weil sie es auf einem Blatt Papier gesehen hat, sondern weil sie tagtäglich von ihnen umgeben ist. Sie lernt “in Echt”. Ihre Spiele sind von einer unbändigen, hilfsmittelfreien Fantasie geprägt, die andere in ihren Bann zieht. Es ist ein bisschen klischeehaft, aber die Kinder nutzen tatsächlich jedes Steinchen, jeden Stock und jedes Blatt, das sich gerade für ihr Spiel hergibt. Und genauso haben wir uns das alles vorgestellt! Die kleine Gruppe Waldkinder ist übrigens auch ein sehr eingeschweißtes Team. Das bringt das extreme Umfeld mit sich.

Trotz gelegentlichem Wald-Winter-Frust bin ich also froh um diese herrlich matschige Jahreszeit die mich jeden Morgen erneut tief durchatmen lässt und übrigens auch meine Waschmaschine ziemlich herausfordert. Auch meine Kinder lieben es, denn trotz intensiv gelebter Prinzessinnen-Phase, scheint meine Große am allermeisten Leidenschaft für den Matsch entwickelt zu haben. Selten kommt mir ein anderes Kind ebenso Matsch-getränkt entgegen wie meines! Und genau so soll es auch sein.

Wer Fragen zu bewährten Waldkind Ausrüstungsgegenständen, Kleidung, Schuhen etc. hat, darf uns gerne kontaktieren. Wir versuchen euch neutral und lösungsorientiert Tipps zu geben. Wir freuen uns auf eure Nachrichten und/oder Erzählungen aus dem Wald!